Mit Stefan Meyer-Kahlen (SMK), dem Autor von Shredder und Pocket Fritz
sprach Axel Fritz (SC) am Rande der Mainzer Chess Classics.
SC: Es wurde viel spekuliert über die Hintergründe des Wechsels
zu ChessBase. Was waren die Gründe?
SMK: Ich bin seit 4-5 Jahren
im Geschäft und habe immer Kontakt zu ChessBase gehabt. Ich kenne sie
alle von vielen Turnieren. Es ist ein gute Firma. Bei meiner alten Firma
Millennium hatte ich eine gute Zeit, aber ich hatte das Gefühl, es wäre
Zeit für einen Wechsel. Chessbase ist eine Computerschachfirma. Bei Millenium
ist es nebenbei Computerschach. Ich hatte von Chessbase ein gutes Angebot
bekommen und ich dachte, das probiere ich mal aus.
SC: Lange Zeit gab es Querelen um Shredder und die SSDF-Rangliste.
Sind diese mit dem Wechsel ins Hause ChessBase nun ausgestanden?
SMK: Ich hatte eigentlich
nie große Probleme mit der SSDF-Rangliste. Die SSDF hatte einige Probleme
mit meinem ehemaligen Distributor. Es ist sicher keine perfekte Rangliste,
sie ist ganz ok. Sie ist sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluß,
um herauszufinden, was das Beste ist. Aber meinetwegen kann Shredder da
mitspielen. Seit zwei Jahren haben sie die Erlaubnis, daß Shredder teilnimmt.
Aber sie wollten nicht mehr, es gibt noch irgendwelche Rechnungen mit
Herrn Weiner, auch noch vor meiner Zeit. Sie haben angekündigt, daß Shredder
5.32 in der Liste erscheinen wird. Ich habe da keinen Einfluß darauf.
SC: Für das Ende des Jahres haben Sie Shredder 6 angekündigt.
Was wird besser?
SMK: Alles wird besser.
(lacht) Jetzt gibt es Shredder 5.32 nur mit der Chesbase Oberfläche. Shredder
6 wird mit meiner eigenen, aber auch mit der Chessbase-Oberfläche kommen:
eine Engine mit zwei Oberflächen. Was besser wird: die Spielstärke natürlich
- hoffe ich (und lacht wieder), und die Funktionen: Die Datenbankfunktionen
unter der eigenen Oberfläche. Die genauen Details muß ich mit Chessbase
noch besprechen. Ziel ist, daß sich die Oberflächen noch unterscheiden.
Ich will nicht die Funktionen nachprogrammieren, die Fritz hat und Fritz
soll nicht nachprogrammieren, welche ich habe. Beide sollen sich unterscheiden.
Fritz eher in Richtung Datenbanken, Shredder in Richtung Tablebases, daß
man Endspieldatenbanken gezielt befragen kann. Das ist aber alles noch
nicht ganz klar. Im Moment arbeite ich noch am PocketFritz, der sehr bald
fertig ist. Dann kommt die WM, und dann die Oberfläche...
SC: Es wird weniger eine Vereinigungsversion mit Fritz, als eine
weitere Ausdifferenzierung ....
SMK: Ja, genau. Das ist
für dieses Jahr geplant. Was im nächsten Jahr ist, ist noch nicht abgesprochen.
Ich habe jetzt den Vertrag für Shredder 6 mit beiden Versionen. Wir haben
ausgemacht, daß die beiden sich unterscheiden. Das macht ja auch Sinn.
Jeder soll für seinen Geschmack aussuchen können, was er schöner findet
und was ihm nützt.
SC: Wird man eine Fritzengine in Shredder einbauen?
SMK: Das wurde ich schon
oft gefragt. Das ist noch nicht endschieden. Wahrscheinlich nicht. Wir
haben noch nicht darüber gesprochen.
SC: Wenn man einige Mal schon Schachweltmeister mit seinem Programm
war, was reizt einen weiterzumachen?
SMK: (Lacht). Es gibt
ja jedes Jahr eine Weltmeisterschaft. Die nächste ist im August. Es macht
mir Spaß. Ich habe viel Arbeit. Ich kann das machen, was ich tue. Ich
arbeite zu Hause. Ich mache das ganz gut, was ich da mache. Den Wettkampf
liebe ich auch. Die ganzen Computerprogramme sind u.a. auch so gut, weil
es so viel Gute gibt. Jeder motiviert den anderen. Frans Morsch macht
einen neue Version, die besser ist als Shredder, ich setzt mich hin und
bin besser als Fritz. Und Morsch setzt sich hin ...
SC: ... der Wettkampfgedanke ....
SMK: Klar, bei mir zumindest.
Und ich bin sicher, auch bei Frans Morsch ist es genauso.
SC: Sie machen das nun einige Jahre, wieviele sind es jetzt?
SMK : Im Studium bin
ich angefangen, vor 9-10 Jahren. Ich bin auf Turniere gefahren und bin
1996 zum ersten Mal Weltmeister geworden. Ich habe ein Angebot bekommen.
Seitdem verkaufe ich das dann.
SC: Auch nach soviel Jahren
macht das immernoch Spaß ...
SMK: Na klar. Was
ich nicht könnte, ist nur eine Engine zu machen. Frans Morsch arbeitet
nur an der Engine. Das wäre mir zu langweilig. Jetzt habe ich z.B. vier
Monate lang Pocket Fritz gemacht. Auch die Grafik neu gelernt zu programmieren
für Windows CE-Rechner, die Datenbankfunktionen habe ich selber programmiert
und die Engine. Wenn ich ein Jahr lang nur Engine machen würde, würde
es wohl doch langweilig werden.
SC: Bei den letztjährigen Frankfurter Classics spielte Fritz on
Primergy 5:5 gegen die weltbesten Spieler mit Ausnahme des Weltranglistenersten.
Wie wird das Match in diesem Jahr?
SMK: Ein 2-2 wäre schon
super. Aber da rechne ich eigentlich nicht mit. Es ist schon sehr klein,
das Teil. Ich rechne mit dem Schlimmsten, dann kann es nur besser werden.
Was ich nur nicht will, ist nach 20 Zügen wie so ein Idiot verlieren.
Wenn es schöne Partien sind, bei denen Shredder auch Chancen hat zwischendurch,
dann ist auch ein 0-4 ok. Aber ein halber Punkt wäre super.
SC: Gute Schachprogramme wie Shredder, Fritz, Junior oder ChessTiger
liegen von der Spielstärke her dicht beieinander. Wenn wir an die
BrainGames-Qualifikaion denken, wo Junior 5-0 in Führung ging, aber Fritz
den Vorsprung egalisierte, zeigt sich eigentlich, daß es sehr viele Partien
braucht, um einen Leistungsunterschied festzumachen. Sicherlich gibt es
in der Spielanlage z.T. auch für Laien erkennbare große Unterschiede.
Worin liegen die Unterschiede aus der Sicht eines Programmierers?
SMK: In der Spielanlage.
Jedes Programm hat seinen Stil, den es pflegt. Das geht automatisch, das
kommt von den Vorlieben des Programmierers.
Von den Algorithmen, die man verwendet - das ist dann unbewußt. Von der
Spielstärke sind dann alle gleich, es gibt Unterschiede, aber da liegen
keine Klassen zwischen. Die liegen so dicht beieinander, daß man Hunderte
von Partien braucht, um zu sagen, der ist besser. Das ist ein großes Problem.
Wenn ich eine neue Version entwickele, die vielleicht 10 ELO-Punkte besser
ist, muß ich mich da sehr auf mein Gefühl verlassen. Es ist unmöglich
für mich zu sagen, diese Version ist besser, das ist meine neue Top-Version
- da brauche ich ein Jahr dafür, um das herauszufinden.
SC: Wie beurteilen Sie die Entwicklungsstufen im Vergleich
zur vorhergehenden? Sie sagen, das sind viele Punkte, die viel Veränderungen
ausmachen ...
SMK: Ich habe Taktiktests,
von denen ich glaube, daß sie repräsentativ sind und vergleiche die Suchen
miteinander. Ich vergleiche die Ergebnisse. Aber der eine hat 12, der
andere 13 Stellungen gelöst, das bringt es nicht. Man muß schon sehen,
wie schnell die Aufgaben gelöst wurden, welche Rechentiefen erreicht wurden,
wie schnell sie eine bestimmt Tiefe erreichen. Das ist gar nicht so einfach,
aber ich glaube, da habe ich mittlerweile ein ganz gutes Gefühl für. Und
auch die Erfahrung, die sagt einem dann auch, das war gut, das war schlecht.
Manche Dinge baue ich einfach ein. Z.B. Shredder macht einen saublöden
Zug, dann sage ich ihm, so etwas darf nie wieder passieren, auch wenn
es selten vorkommt. Im Prinzip ist es sehr viel testen, aber auch Erfahrung
und Gefühl.
SC: Das sind eher taktische Test....
SKM: Wenn ich an positionellen
Tests arbeite, habe ich meist Stellungen, so z.B. bei Shredder 6 ist die
große Änderung Königssicherheit. Ein bißchen habe ich schon angefangen
bei PocketFritz. Ich finde bei Rechnern mit 2600, 2700 ELO darf es nicht
sein, daß die sich wie Idioten in 2 Zügen mattsetzen lassen. Ich habe
durch meine Tester Stellungen gesammelt, wo Shredder nicht durchblickt,
gar nichts sieht. Die gucke ich mir an, versuche Muster zu erkennen. Z.B.
die h-Line wird gleich geöffnet oder so. Und das versuche ich abzustellen.
SC: Und da gibt es mehrere Tester?
SMK: Ich habe ein paar.
Mein Eröffnungbuchautor Sandro Necchi, mit dem arbeite ich sehr eng zusammen,
mit Chessbase und Peter Schreiner arbeite ich und mit ein paar andern
unregelmäßig.
SC: Auch mit großmeisterlicher Hilfe?
SMK: Nein, habe ich noch
nicht. Da hoffe ich auf Chessbase, daß da jetzt vielleicht etwas kommt.
Das Problem bei Großmeistern: Es muß schon ein Großmeister sein, der weiß,
worum es geht und das auch formulieren können. Oft ist es so: Großmeister
wissen selber nicht, warum ein Zug gut ist. Das hatte ich auch schon oft:
Ich unterhalte mich mit einem Großmeister "Der Zug ist schlecht." "Warum?"
"Ja, weiß ich nicht." "Warum ist der andere Zug gut." " Ja, weiß ich nicht".
Das kann mir meine kleine Schwester auch sagen. Sie müssen schon wissen,
was sie mir sagen wollen und ich muß da gute Fragen stellen.
SC: ... sie müssen schon selbst ein verbalisiertes, gutes Theoriegebäude
haben ...
SMK: Klar, im Prinzip
schon. Aber nicht nur das. Sie müssen schon erkennen, daß Computer anders
Schach spielen als Menschen. Großmeister sagen, daß muß der doch wissen.
Aber viele Dinge muß der nicht wissen, die kann er einfach ausrechnen.
Im Prinzip sind Schachcomputer saudumm, aber unglaublich schnell. Wenn
man sie versucht klug zu machen und langsam wie Menschen - das klappt
dann einfach nicht.
SC: Das ist ja das Problem der besten Zugselektion. Ein
Großmeister selektiert wenige Züge und konzentriert sich auf ....
SMK: ... ja genau. die Selektion und die Bewertung
der Züge. Der Großmeister sagt sofort, in der Stellung kommt der und der
Zug. Alle anderen muß ich nicht angucken. Und er guckt sie wirklich nicht
an. Der Schachcomputer guckt alles an.
SC: Ist es tatsächlich so, daß der Computer heute noch alle Züge anschauen?
SMK: Nein, nicht alle, aber im Endeffekt. Für
menschliche Verhältnisse alle, aber für die Computerwelt nicht alle. Und
unterschiedlich tief auch. Nicht alle bis zehn. Das stimmt nicht. Manche
2, manche 10, manche 30. 100.000 in der Sekunde, 180 Sekunden bei 3 Minuten
pro Zug ... Das sind natürlich viele Stellungen. Alle fast.
SC: ... die werde ich in meinen Leben vermutlich nicht rechnen
...
SMK: Ja, genau.
SC: Welchen Anteil hat die Selektionsleistung als Schlüssel
zum erfolgreichen Schachprogramm, welchen Anteil hat die Rechenkraft?
Kann man das irgendwie ausdrücken?
SMK: Nein, kann man nicht. Das spielt auch ineinander.
Z.B. kann man verschiedene komplizierte Selektionsmechanismen nur machen,
wenn man genügen Rechenkraft hat. Die Rechenkraft ist schon dominierend.
SC: Wohin gehen die Entwicklungen in der Schachprogrammierung?
Welche Rolle spielen neue Ansätze wie Fuzzy-Logik oder auch im Selektionsbereich
das eine oder anderere?
SMK: In den letzten Jahren ist es ja schon so,
daß die Programme eigentlich gut genug sind und nicht mehr so viel Features
drum herum gestrickt werden müssen. Oder jetzt neue Wege, wie mit dem
Pocket-Fritz zum Beispiel. Der ist gut genug für einen normalen Spieler
zum analysieren und spielen. Man muß jetzt neue Möglichkeiten finden,
was man mit den Programmen macht.
In der Bewertung werden auch neue Tendenzen liegen. "Ich hab hier einen
Doppelbauern - du hast einen isolierten Bauern. Welcher ist besser oder
schlechter?" Sogar Fritz, der einer der brutalsten Rechner von allen ist
- Fritz ist sehr gut. Er ist halt sehr schnell. Etwa viermal so schnell
wie Shredder, weil er halt schneller rechnet, mehr rechnet. Die neue Version,
die jetzt kommen wird, wird auch langsamer werden. Die Rechengeschwindigkeit
ist zu hoch, die können nicht mehr bewerten und selektieren.
SC: ... also langsamer rechen, mehr selektieren
SMK: Selektieren kostet ja Rechenzeit. In der
Zeit, wo ich bewerte, kann ich nicht selektieren.
SC: In der DWZ Datenbank haben Sie eine Spielstärke von knapp
unter 2000 Punkten ....
SMK: Haben Sie nachgeguckt?
SC: Ja, Sie spielen gar nicht mehr viel. 2-3 Partien im Jahr.
SMK: Nicht mal. Mannschaftskämpfe habe ich ab
zu noch einmal gespielt. Früher bis 18, 19 habe ich viel gespielt, Turniere,
Theorie gelernt. Im Studium bin ich nach Passau gegangen, bin zu den Mannschaftskämpfen
noch gekommen. Aber 600, 700 Kilometer zu fahren waren ein tierischer
Akt. Das macht man dann ein, zwei Jahre, dann ist das vorbei. Jetzt spiele
ich Blitzschach, ab und zu. Aber interessant ist: Meine Spielstärke ist
praktisch deutlich schlechter als früher. Ich sehe taktisch weniger. Aber
ich bilde mir ein, mehr vom Schach zu verstehen. Ich weiß mehr über Pläne,
kann Stellungen besser einschätzen. Beim Blitzen stehe ich ganz gut. Aber
irgendwann stelle ich einen Läufer ein. Richtig saublöd, einzügig. Ich
erkläre das damit, daß mein Programm für mich rechnet. Ich gucke mir die
Hauptvariante an. Er macht das taktische und ich versuche das dann strategisch
zu bewerten.
SC: Sie programmieren einen Rechner mit einer geschätzten Spielstärke
von etwa 2700 Punkten und mehr. Inwieweit können Sie Schwächen Ihres
Programmes selbst noch beurteilen?
SMK: Ich habe auch Partien von Shredder, die
hat er verloren und ich weiß nicht, warum er die verloren hat. Es wäre
schon ganz gut, wenn mir jemand sagen könnte: "In der Stellung darf man
nie c6 spielen."
SC: ... da würde es wahrscheinlich Sinn manchen, großmeisterliche
Hilfe hinzuzuziehen ....
SMK: .. ja, klar.
SC: Wie sieht im allgemeinen der Prozeß der permanenten Leistungsverbesserung
aus?
SMK: Da schaut man sich die Partien an, wo er
schlecht gespielt hat und versucht, sie auszumerzen. Und der andere Teil
ist, wenn ich die Suche verbessere, denke ich mir Algorithmen aus, wo
ich sagen kann, der Zug ist schlecht. Da kann ich den Baum dann abschneiden.
Das bringt nichts mehr. Der zweite Punkt ist die Bewertung: "Da darf man
nie c6 spielen." Da drehe ich dann an den Parametern herum, oder füge
irgendwas Neues ein. Und zur Taktik mache ich halt Tests, ob er irgend
etwas schneller findet.
SC: Hat sich Ihre Einstellung zum Schachspiel verändert?
SMK: Schach ist jetzt mein Beruf geworden. Aber
irgendwie bin ich auch schachsüchtig. Ich liebe ja Schach. Ich liebe Schachspielen,
sonst könnte ich das nicht machen. Ich mag mich gerne damit beschäftigen.
Aber selber spielen ... früher hatte ich Lust meine Spielstärke zu steigern.
Jetzt habe ich manchmal Lust zum Blitzen.
SC:
SMK: Das Problem beim selbst spielen ist auch:
Ich bin noch als Stammersatzspieler bei uns im Verein gemeldet. Ich spiele
aber nie. Wenn die ein Aufstiegsspiel haben, sage ich, spiele ich mal
mit. Dann rufen sie mich an. " Kannst du spielen?" "Nee, ich habe keinen
Bock." Ich arbeite nur an Schach und so habe ich in meiner Freizeit doch
genug von Schach. Nur Schach ... . Meine Frau hat eh nicht viel von mir,
wenn ich Streßphasen habe, wie jetzt mit dem PocketFritz. Da kann ich
nicht sagen, am Wochenende machen wir Mannschaftskampf, wir fahren nach
Solingen. Das kann ich nicht bringen. Das will ich auch nicht bringen.
SC: Was machen Sie, wenn Sie nicht Schach spielen?
SMK: Reisen. Wenn ich nicht arbeite, fahren
wir meistens weg. Wenn ich arbeite, dann meist sieben oder sechs Tage
die Woche. Von morgens bis abends. Dann nehme ich mir auch eine Woche
frei, früher noch drei Monate. Das kann ich heute nicht mehr. Berühmt
ist unsere Hochzeitsreise nach Tibet und Australien - drei Monate; vier
Wochen Thailand, jetzt zwei Wochen New York im September.
SC: Spielen Sie Fernschach?
SMK: Nein, habe ich früher aber. Mit sechzehn
habe ich gespielt und es hat mir viel gebracht.
SC: Wie ist es um die Zukunft des Schachs
bestellt?
SMK: Viele sagen, wenn der Computer besser ist
als der Mensch, was ja in ein paar Jahren der Fall sein wird, ist Schach
vorbei. Das sehe ich allerdings gar nicht so. Es gibt Taschenrechner,
es gibt Hilfsmittel, Computer, Textverarbeitung. Man muß Schachprogramme
als Hilfsmittel sehen, nicht als potentielle Konkurrenten. Man hat den
PocketFritz in der Tasche, etwas, was dann die Fragen beantwortet zu Schachstellungen.
Die hätte man vorher nie beantwortet bekommen. Das bringt das eigene Schach
auch weiter. Man muß nicht den stärksten im Club fragen, der vielleicht
auch keine Antwort weiß. Eine Antwort wie: "Das geht nicht wegen Db3+".
SC: .... das ist eher etwas positives für das Schach ...
SMK: Die ELO-Zahlen werden immer besser. Früher
hatten starke Großmeister 2600, Weltmeister 2700. Heute ist das alles
100 Punkte besser. Vielleicht liegt dies an den Datenbanken und Schachprogrammen.
SC: .... das könnte aber auch an der steigenden Anzahl der erfaßten
Schachspieler und der hieraus resultierenden Ausweitung der zugrundeliegenden
Verteilung in die Extremwerte liegen ...
SMK: ich sehe eher die Hilfe des Computers für
Schachinteressierte ....
SC: und die Perfektionierung der Rechner ist eher eine Hilfe die
Freude am Schachspielen zu vergrößern ....
SMK: Nehmen wir ein Endspiel, einen Fünfsteiner.
Der Rechner kann jetzt sagen, wie ich das gewinne, wie kann ich das verteidigen
oder wo habe ich jetzt den Fehler gemacht, daß es nicht mehr gewonnen
war. Das ging vorher nicht. Viele Endspielstudien sind einfach falsch.
SC: Ist das förderlich?
SMK: Wenn man sich blind darauf verläßt, ist
es eher hinderlich. Das hängt von jedem selber ab, wie er das nutzt. Ist
das Auto hinderlich für den Menschen, oder nicht? Man kann schnell irgendwo
hinfahren. Wenn man es zuviel benutzt, wird man dicker und fetter.
SC: Was kann man für die Popularität des Schachspiels tun?
SMK: Ich denke, wenn man sich über das Schachspiel
Sorgen macht, soll man bei den kleinen Kindern anfangen. Das ist der Nachwuchs.
So wurde es in Rußland früher auch gemacht. In der Schule haben die Schach
gelernt. Dann gab es die Schach-Akademien und gute Schachspieler. Das
ist wie ein Kreislauf. Dann gibt es auch Nachwuchs. In Holland Timman
oder Fischer in den USA haben einen Boom ausgelöst. So wie ich das sehe,
gibt es das in Deutschland nicht: Spieler, mit denen man sich identifizieren
kann. Von denen man sagt, ich möchte so sein wie der. Es ist schwer wieder
hereinzukommen, wenn man aus einmal dem Kreislauf heraus ist.
Schach.com
|